Das war eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte Theatervorstellung, die an diesem Tage Christoph Bendikowski, Tina Badenhop, Merle Freund und Martin Bogus auf die Bühne im Langwedeler Rathaussaal auf die Bühne brachten. Das Gerüst zu diesem Stück liefert eine wahre Geschichte: Das junge jüdische Mädchen Hanni Baumgarten, kommt nach dem frühen Tod ihrer Eltern (1929) nach Verden zu ihrer Tante und wächst dort mit ihren Bruder auf. Es ist die Endzeit der Weimarer Republik und der Beginn der NAZI-Herrschaft im „Dritten Reich“. Hanni ist davon wie die anderen jüdischen Mitbürger in ihrem Leben direkt und repressiv betroffen. Das führt sie zunächst 1940 zu einer zionistisch-jüdischen Pfadfindergruppe nach Bremen-Walle, wo sie sich entschließt, mit einer Ausreisegruppe nach Palästina auszuwandern. Über Pressburg (Bratilava) Wien gelangt sie auf der Donau nach Rumänien, kommt dort auf einen alten, überfüllten Dampfer an Bord. Über das Schwarze Meer und das Mittelmeer nimmt das Schiff Kurs an Küste Palästinas an. Die englische Mandatsmacht für Palästina stoppt aber den Landgang und interniert die Passagiere. Das Schiff soll nach Mauritius verbracht werden. Nach einer beabsichtigten Explosion versuchen Passagiere schwimmend an Land zu kommen, darunter Hanni erfolgreich schwimmend. !989 kehrt Hanni Baumgarte nach Verden zu einem Besuch zurück und erzählt ihre Geschichte.
Damit beginnt das Theaterstück. Tina Badenhop tritt als gealterte Hanni Baumgarte auf die Bühne und will ihre Geschichte erzählen. In der nächsten Szene wechselt das Stück in die Zeit der jungen Hanni (Merle Freund), die sich spielend und lernend (am Verdener Lyzeum (heute Gymnasium an Wall) darstellt.
Nach der Machtergreifung der der NSDAP wird der Ton gegenüber den Juden und nicht mit den NAZIS Gleichgesinnten rauer bis hin zu gewalttätigen Übergriffen. In der Nacht vom 9. auf den 10. November brennen, wie auch in Verden, die Synagogen. Die bedrohliche Stimmung wird in den Stück, durchaus beklemmend für das Publikum mit dem Aufziehen der Hakenkreuzfahne, Originalausschnitten einer Hitler Rede und Flugzeug- und Bombenlärmlärm in Szene gesetzt.
Hanni wird durch Befragung ihres Lehrers zu den Rassengesetzen unter Druck gesetzt. Und in einem Schattenspiel wird mit Puppenfiguren dargestellt, wie Hannis Bruder auf dem Schulhof drangsaliert wird.
Ein Wechsel in der Zeitebene zeigt die gealterte Hanni als Erzählerin und mit einfachen Mitteln des Figurenspiels wie ein „gleichgeschalteter“ Lehrer seine Schüler indoktriniert.
Eine kurze Zeit in der zionistisch-jüdischen Pfadfindergruppein Bremen Walle bringt etwas Lebensfreude auch für Hanni zurück. Mit Tanz und Akrobatik wird diese aufgehellte Stimmung auf die Bühne gebracht (Tina Badenhop, Merle Freund, Martin Bogus musikalisch begleitet von Christoph Bendikowski)
Aber schließlich gab es bald keine Alternative mehr. Buchstäblich im letzten Moment konnte sich Hanni mit einer Ausreisegruppen auf den Weg nach Palästina machen. In der letzte Phase dieser Reise fand sich Hanni an Bord eines alten, völlig überfüllten Schiff wieder, mit unhaltbaren hygienischen Verhältnissen und mit Typhus-erkrankten Menschen. In Szene gesetzt wurde das mit einer Hut-Jonglage, die Bedrängung und die Erschöpfung der Passagiere zum Ausdruck bringt.
Schließlich kommt Hanni in Palästina an, lernt dort ihren Freund kennen. Ihre neue Lebensfreude kehrt zurück, was mit den akrobatisch-neckischen Mitteln „Kampf um einen Apfel“ gekonnt auf die Bühne gebracht wird. Dieses Paar heiratet und bekommt zwei Kinder.
Ein letztes mal wird im Stück die Zeitebene in die Gegenwart von 1989 gewechselt: Hanni, verkörpert durch Tina Badenhop, besucht Verden. Sie wendet sich in ihrem Auftritt an das Publikum: „Bleiben Sie wachsam! Lügen werden nicht wahrer, wenn sie ständig wiederholt werden. Die Zeit heilt die Wunden. Narben bleiben“.
Ein Fazit:
Das breite Spektrum von Schauspiel, Theater, Tanz, Musik und Elementen des modernen Zirkus werden in den einzelnen Szenen gekonnt und eindringlich dargestellt.
Das Gerüst des Theaters stammt federführend von Christoph Bendikowski. Er begleitete die einzelnen Texte zu den Szenen rezitatorisch oder musikalisch auf dem Akkordeon. Mal war es leise, mall bissig in allen Fällen aber gekonnt und bewegend.
Es waren nicht nur die Texte Eigenarbeit, auch der Rahmen durch Regie, Inszenierung, Bühnenbild, Beleuchtung und Tontechnik wurden von den Künstlern ierarbeitet.
Das Publikum verabschiedete sich mit stehenden Ovationen. Viele Rückmeldungen betonten, dass dieses Stück es wert sei, mehrfach aufgeführt zu werden. In der Tat werden sich ganz ähnliche Leben und Leiden abgespielt haben, sodass die Odyssee der Hanni Baumgarten als exemplarisch angesehen werden kann. Unsere „prominenten“ Gäste Bürgermeister Andreas Brandt und Dr. Dörte Liebetruth besprachen sich nach der Vorstellung, mit anderen wie und wo eine Wirkung in der Breite initiiert werden könnte
Frau Jutta Gründemann hat wieder dafür gesorgt, das Fotos hergestellt und zur Veröffentlichung aufbereitet wurden. Dafür sei ihr herzlich gedankt.
Die Entstehung der Theaterstücks wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von WABE und von Tintenklecks.